Plagiatsjäger hält geplante Verjährung von Fälschungen für “völlig sinnbefreit”

0
1595

Mit der türkis-grünen Uni-Reform sollen Plagiate nach 30 Jahren verjähren – daran regt sich Kritik. Juristisch spreche jedoch einiges für die Frist, sagt ein Experte für Hochschulrecht

Wer vor dem Jahr 1990 plagiiert hat, wäre durch eine Neuerung des Universitätsgesetzes aus dem Schneider.

Bei Annette Schavan dauerte es vom Plagiat bis zur Enttarnung 32 Jahre. 1980 dissertiert die Studentin der Erziehungswissenschaften an der Universität Düsseldorf mit einer als sehr gut benoteten Arbeit zum Thema “Person und Gewissen”. Später macht sie als CDU-Politikerin Karriere, gilt parteiübergreifend als versierte Bildungspolitikerin und steigt unter Angela Merkel zur deutschen Bildungsministerin auf. Doch 2012 werden auf einer Internetplattform profunde Plagiatsvorwürfe publik, die Uni Düsseldorf leitet daraufhin eine Prüfung ein und kommt zu einem klaren Ergebnis: Schavan habe reihenweise ohne Zitierung abgeschrieben, es liege eine systematische Täuschungsabsicht vor. Die Ministerin bestreitet das, doch der Doktortitel wird ihr aberkannt, wenige Tage später muss sie zurücktreten.

Geht es nach der türkis-grünen Koalition, wäre ein Fall Schavan in Österreich demnächst nicht mehr möglich. Denn in der Novelle des Universitätsgesetzes, die momentan begutachtet wird, ist eine Verjährung von Plagiaten nach 30 Jahren festgeschrieben. Künftig soll die Aberkennung einer akademischen Bezeichnung, die durch “das Vortäuschen von wissenschaftlichen Leistungen erschlichen worden ist”, nach über 30 Jahren nicht mehr möglich sein, heißt es im Entwurf. Bisher gab es keine solche gesetzliche Frist.

Nachweis früherer Zitierregeln

“Die neue Regelung geht gegen die Wissenschaft”, sagt der Plagiatsgutachter und Medienwissenschafter Stefan Weber im Gespräch mit dem STANDARD. “Es gab bereits ab den 1960er-Jahren strenge Zitierrichtlinien, die man belegen kann.” Mit diesen schwarz auf weiß vorliegenden Richtlinien könne man heute also bis zu 60 Jahre im Nachhinein beweisen, dass eine Arbeit gegen die seinerzeitigen akademischen Standards verstoßen hat. Eine pauschale Annahme, wonach vor über 30 Jahren lockerere Zitierregeln gegolten hätten, sei also unhaltbar, erklärt Weber. Gerade im Fall Schavan habe man einen Leitfaden der Uni Düsseldorf für Studierende aus dem Jahr 1978 gefunden, der die Unredlichkeit ihres Abkupferns aus damaliger Perspektive untermauern konnte.

Sofern man hingegen mit der Verjährung bezwecken wolle, Beamte und Politiker vor den nachteiligen Konsequenzen eines Titelverlusts zu schützen, sei die Frist für den Großteil der Fälle zu lang, sagt Weber. Die meisten Plagiate würden nämlich nach zehn bis zwanzig Jahren entdeckt. So wurde etwa dem steirischen Wirtschaftslandesrat Christian Buchmann (ÖVP) sein im Jahr 2000 erlangter Doktortitel 2017 entzogen. Fazit des Plagiatsjägers: Für das zweifelhafte Motiv der Protektion von Karrieren wäre eine kürzere Frist weit effektiver, aus Sicht der wissenschaftlichen Beweisbarkeit müsste sie deutlich länger sein als 30 Jahre. Die Bestimmung erscheine ihm daher als “völlig sinnbefreit”.

Fast alles verjährt

Stefan Huber, Rechtsanwalt und Experte für Hochschulrecht, kann einem Ablaufdatum für Plagiate hingegen einiges abgewinnen. In der anwaltlichen Praxis zeige sich, dass der Nachweis wissenschaftlichen Fehlverhaltens immer komplizierter werde, je weiter der Fall zurückreicht. Es sei zwar nicht unmöglich, frühere akademische Usancen zu ergründen, aber der Aufwand samt langwieriger Rechtsstreitigkeiten sei beträchtlich, sagt Huber zum STANDARD.

Zudem stelle die neue Frist “wie jede Verjährung in unserem Rechtssystem einen Beitrag zur Rechtssicherheit dar”. Der Jurist argumentiert, dass auch im Strafrecht nahezu alle Delikte mit Verjährungsfristen versehen sind – davon ausgenommen nur solche, die mit einer Freiheitsstrafe von 20 Jahren oder lebenslänglich bedroht sind. Ab einem gewissen Zeitpunkt bedeute die Aberkennung des Titels eine zu drastische Sanktion, zumal auf einen Schlag Beruf und Zukunft verloren gehen können, sofern der Job an die Voraussetzung eines akademischen Grades geknüpft ist. Wenn jemand über dreißig Jahre seiner Laufbahn erfolgreich tätig war, sei diese Konsequenz mitunter unverhältnismäßig, befindet Huber.

Source- derstandar.at